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Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 4 K 94/06
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 | |
EStG § 9 Abs. 7 | |
EStG § 32 Abs. 4 S. 2 |
Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Kindergeld
In dem Rechtsstreit
...
hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 4. Senat -
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. Januar 2008
durch
die Richterin am Finanzgericht Gradl, als Vorsitzende
den Richter am Finanzgericht Simböck,
den Richter am Finanzgericht Just,
die ehrenamtliche Richterin
die ehrenamtliche Richterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Tochter der Klägerin, , geb. .1983, absolvierte -wie auch deren Ehemann- 2004 ein Studium im gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes des Landes . Von Januar bis Juni machte sie die praktische Ausbildung in H., von Juli bis Dezember 2004 befand sie sich zur theoretischen Ausbildung an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege -Fakultät Steuerverwaltung- in R.
In H. bewohnte die Tochter der Klägerin mit ihrem Ehemann eine Drei-Zimmer-Wohnung.
Mit Bescheid vom 5. Mai 2005 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2004 auf. Den Einspruch wies er zurück, weil die Einkünfte den Grenzbetrag überstiegen.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Die Einkünfte ihrer Tochter würden keine kindergeldschädliche Höhe erreichen, weil für deren wöchentliche Fahrten zwischen W. und der Wohnung in H. bzw. der in R. weitere Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu berücksichtigen seien. Während die Wohnung in H. nur zwangsweise zur Durchführung der Ausbildung angemietet worden sei, sei die elterliche Wohnung im Streitzeitraum Mittelpunkt der Lebensinteressen gewesen. So habe eine enge Bindung zu der Klägerin bestanden. In W., der Heimatstadt ihrer Tochter und auch deren Ehemannes, haben die Verwandten und Freunde gewohnt, zu denen die Kontakte gepflegt worden seien. habe die Klägerin im Urlaub, zu den ausbildungsfreien Zeiten und an den überwiegenden Wochenenden besucht. Arztbesuche seien in W. erledigt worden. Während der theoretischen Ausbildung in R. (Juli 2004- April 2005) sei die Wohnung in H. kaum aufgesucht worden, was auch der niedrige Energieverbrauch belege. Die Wohnung in H. sei auch in Zeiten des Nichtgebrauchs beibehalten worden, weil der Aufwand ihrer Auflösung angesichts des ständig wechselnden Ausbildungsortes unzumutbar hoch gewesen wäre. Im Übrigen habe nun auch der Beklagte den Mittelpunkt der Lebensinteressen in W. anerkannt, denn für das Kalenderjahr 2005 sei Kindergeld gewährt worden. In W. habe die Tochter der Klägerin mit ihrem Ehemann abwechselnd bei Eltern und Schwiegereltern gewohnt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 5. Mai 2005 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. Dezember 2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Weitere Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte könnten nicht anerkannt werden, weil die Tochter der Klägerin in W. keinen Lebensmittelpunkt gehabt hätte. Nach Größe und Ausstattung entspräche die Wohnung in H. den Ansprüchen der Tochter und des Schwiegersohns der Klägerin auf längere Dauer. Unglaubhaft sei, dass die Wohnungen in H. und R. nur an Werktagen benutzt worden seien. In W. hätte die Tochter der Klägerin auch keine eigene Wohnung unterhalten, sondern bei den Eltern gewohnt.
Die Verwaltungsakte hat dem Gericht vorgelegen Begründetheit
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil die Einkünfte und Bezüge der Tochter der Klägerin eine kindergeldschädliche Höhe erreicht haben. Aufwendungen für die Fahrten zwischen W. und dem Beschäftigungsort sind nicht als weitere Werbungskosten anzuerkennen.
Neben anderen, hier nicht streitigen Voraussetzungen, wird Kindergeld für Kinder gewährt, deren Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, 7680 EUR nicht übersteigen, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
Die Einkünfte und Bezüge betragen 9.475,62 EUR und übersteigen den Grenzbetrag:
Unstreitige Einnahmen | |
Ausbildungsvergütung | 11.937,99 EUR |
Einkünfte aus Kapitalvermögen | 230,57 EUR |
Wohngeld | 628,00 EUR |
Gesamt | 12.796,56 EUR |
Abzüge | |
Anerkannte Werbungskosten | 2.335,74 EUR |
Kostenpauschale | 180,00 EUR |
Werbungskosten Kapitalvermögen | 51,00 EUR |
Sozialversicherungsbeiträge | 754,20 EUR |
Gesamt | - 3.320,94 EUR |
Einkünfte | 9.475,62 EUR |
Weitere Werbungskosten für Fahrten zwischen W. und den Beschäftigungsorten i.H.v. rd. 3.000 EUR sind nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz in der für 2004 geltenden Fassung (EStG) sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten. Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind die Wege von einer Wohnung, die nicht der Arbeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 7 EStG.
Die Tochter der Klägerin hatte in W. keine Wohnung i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 7 EStG.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, soll Wohnung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 7 EStG nur eine Unterkunft sein, die dem Steuerpflichtigen zuzurechnen ist, also seine "eigene" Wohnung ist (BFH Urteil vom 26.8.1988 VI R 92/85, BStBl II 1989, 144; ändert BFH Urteil vom 25. März 1988 VI R 207/84, BStBl II 1988, 706, wo noch auf das Erfordernis "eigene" Wohnung verzichtet wurde). Eine gemeinschaftliche Wohnung kann danach "eigene" Wohnung sein, wenn der Steuerpflichtige selbst keine weitere eigene Wohnung hat oder er zwar noch eine eigene Wohnung besitzt, in der gemeinschaftlichen Wohnung aber nachweislich seit längerer Zeit ständig lebt und übernachtet.
Unter Beachtung dieser Ausführungen und bei Würdigung aller Umstände ist das Zimmer im Haus der Eltern/Schwiegereltern in W. aus Sicht der Tochter eine "fremde" Wohnung. Die Wohnung ist H. ist nach Größe und Qualität als Familienwohnung ausgelegt; in W. haben die Tochter der Klägerin und deren Ehemann dagegen abwechselnd in den Häusern ihrer Eltern gelebt. Das Wechseln spricht dagegen, dass in W. eine "eigene" Wohnung gehalten wurde; vielmehr spricht es für einen Besuchscharakter des Aufenthaltes, auch wenn die Vielzahl der persönlichen Beziehungen zu ständigen Besuchen führten. Weiteres Indiz dagegen ist die fehlende polizeiliche Meldung in W. Indizien dafür, dass eine Unterkunft in W. der Tochter der Klägerin als eigene zuzurechnen wäre, sind nicht ersichtlich.
Hat die Tochter der Klägerin in W. keine Wohnung, ist es unerheblich, ob dort ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen gewesen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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